Im Post-Schoah-Antisemitismus, dem Antisemitismus nach und wegen der Schoah, drückt sich eine bestimmte Haltung zur nationalsozialistischen Vergangenheit, der Schoah und den Juden als Repräsentanten einer unerwünschten, verdrängten Erinnerung aus. Seine Grundlage erhielt er nicht trotz, sondern gerade in dem Wissen um seine tödliche Konsequenz. Aus dem Bewusstsein, einer Nation anzugehören, die den Massenmord an europäischen Jüdinnen und Juden organisiert und planmäßig durchgeführt hatte, resultiert ein starker Wunsch nach Schuldabwehr zum Zweck einer unbeschwerten, ungebrochen positiven deutschen Identität. Aus diesem Bedürfnis und der mangelnden Bereitschaft, nationale Geschichte mit ihren geschichtlichen Brüchen anzunehmen und sich mit den Verbrechen auseinanderzusetzen, speist sich der Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz.
Relativierungen der Schoah reichen von der Haltung, es habe »schließlich auch deutsche Opfer gegeben« in den Debatten um alliierte Bombardierungen bis hin zur Gleichsetzung Israels mit NS-Deutschland. Der Post-Schoah-Antisemitismus ist nicht nur Deutschen »vorbehalten«: Wenn etwa der jüdische Staat durch die Gleichsetzung mit NS-Deutschland als das ultimativ Böse fantasiert wird und somit »mit allen Mitteln« bekämpft werden »darf«, handelt es sich um Antisemitismus, unabhängig von der Nationalität der Menschen, die so etwas denken. Abwehr der Erinnerung existiert zudem nach wie vor in der wohl offensichtlichsten Weise, der Leugnung der Schoah. Der Angriff auf die Erinnerung kommt aus vielen Richtungen, sei es zum Beispiel von rechtsextremen Parteien, Impfgegnern oder postkolonialen Theorierichtungen.
Die Broschüre »Multidirektionale Angriffe auf die Erinnerung« geht detailliert auf diesen Post-Schoah-Antisemitismus ein. Der Podcast »Schiefheilungen« von RIAS Bayern hat der Erinnerungsabwehr aus unterschiedlichen Richtungen zwei eigene Folgen mit dem Historiker Bill Niven gewidmet: